von Frank Dreves / Rieseby / Die Riesebyer Gemeindepolitik kommt nicht zur Ruhe: Der Gemeindevertreter des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Thorsten Bastian, wird in einem Schreiben an dessen Landesvorsitzenden angegriffen. Bei den Riesebyer Grünen hat eine Mandatsträgerin aufgrund einer Erkrankung Angst, an Sitzungen teilzunehmen. Deshalb fordert die Partei, dessen Fraktion aus zwei Personen besteht, von den anderen Fraktionen ein so genanntes Pairing-Verfahren. Gemeinderatsmitglieder anderer Fraktionen sollen freiwillig den Sitzungen fernbleiben, damit wieder eine Ausgewogenheit der politischen Kräfte besteht. In Rieseby ist dies jedoch schwer umsetzbar, da sich alle Fraktionen teilen müssten. Zwei Fraktionen bestehen aus einer ungeraden Anzahl von Gemeindevertretern (SPD 5 und CDU 3) und können sich schlecht teilen. Zudem hat sich nach der letzten Wahl aus BVR und SSW eine Fraktionsgemeinschaft mit zwei Gemeindevertretern gegründet. Diese Fraktion kann sich nicht teilen, da dann entweder eine Vertretung des SSW oder der BVR fehlen würde. Die WGR als stärkste Fraktion im Gemeinderat besteht aus 8 direkt gewählten Gemeindevertretern. In einer Korrespondenz zwischen den Fraktionsspitzen kam es zu keiner Einigung bezüglich eines von den Grünen erwünschten Pairing-Abkommens. Der Fraktionsvorsitzende von BVR/SSW empfahl den Grünen, dass ihre Fraktionskollegin durch das Niederlegen ihres Mandats, den Platz für einen Nachrücker von der Grünenliste freimachen könne, womit die Grünen wieder zwei Stimmen im Gemeinderat hätten. Die Rieseby-Grünen entschieden sich daraufhin, den Landesvorsitzenden des SSW per Einschreiben um eine Stellungnahme zu bitten. In ihrem Brief versuchen die Bündnis 90er, Thorsten Bastian in eine rechte Ecke zu schieben, weil er auf einem Shirt einen Spruch zu dem Wikingergott Odin getragen hätte. Vom SSW-Landesvorsitzenden Flemming Meyer fordern sie in ihrem Anschreiben vom 15. Januar u.a. eine Klarstellung, wie der SSW zum Thema Inklusion stünde.

Rieseby liegt an der Schlei. Über den Meeresarm erreichten die Nordmänner früher Haithabu – die größte Handelsmetropole der Wikinger in Nordeuropa. Schleswig nennt sich offiziell Wikingerstadt, Haithabu und das Danewerk sind mittlerweile Welterbe. Viele Menschen in unserer Region tragen an einer Halskette den Thorhammer oder sonstige Symbolik der Wikinger.

Einen Gemeindevertreter nun aufgrund seiner möglicherweise religiösen oder kulturellen Überzeugung und aufgrund seiner ablehnenden Haltung zu einem Pairing-Verfahren in die Ecke von Neonazis zu drängen, tut dem ohnehin angespannten politischen Verhältnis in Rieseby nicht gut. Vielleicht wäre es von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Christine Scheller klüger gewesen, sich nicht auf die dänische Minderheit zu stürzen und mehr auf das soziale Miteinander basierend auf Respekt und einer gleichberechtigten Behandlung aller Menschen zu achten. Der Denunzierungsversuch beim SSW-Chef war nicht zielführend. Dieser kommentierte das Einschreiben der Grünen nicht und leitete es an seine Parteifreunde in Rieseby weiter. Bastian gilt als beliebter Kommunalpolitiker in Rieseby und ist schockiert über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe: „Wenn die Grünen aktuell keine anderen Probleme haben, lässt dies schon tief blicken!“ Nach der gescheiterten Denunzierung entschuldigte sich Scheller unglaubwürdig.

Die Schwansener Nachrichten trafen den Vertreter der dänischen Minderheit zu einem Interview:

Schwansener Nachrichten: Seit wann lebst Du in Rieseby und weshalb engagierst Du Dich für den SSW?

Ich bin 2013 in die Gemeinde gezogen. Seit 2005 sind meine vier Kinder im dänischen System über KITA und Schule betreut worden. Meine älteste Tochter wohnt inzwischen in Dänemark. Als ich nach Rieseby zog, war es für mich klar, dass ich mich dem SSW-Ortsverband anschließen werde.

Schwansener Nachrichten: Nach den ersten Kommunalwahlen 2018 hast Du Dich der SPD-Fraktion angeschlossen bzw. eine Fraktionsgemeinschaft mit ihnen gegründet, weil Du als einzelner SSW-Gemeindevertreter keine Anträge stellen durftest. Warum hast Du Dich von den Sozialdemokraten getrennt?

Nun, eine wirkliche Fraktionsgemeinschaft war es schon vom Namen her nicht, da die SPD es ablehnte, den SSW im Namen einer Gemeinschaft aufzuführen. Ich habe gemeinsam mit dem ersten Vorsitzenden des SSW, Volker Plath, regelmäßig an Fraktionssitzungen teilgenommen. 2/3 der gesamten Sitzungszeit ging es nur darum, wie man die örtliche Wählergemeinschaft WGR schädigen kann. Schließlich wurde ich gebeten, Nachbarn auszuspionieren, die Mitglied des Gemeinderats sind.

Schwansener Nachrichten: Was heißt das, Du solltest Deine Nachbarn ausspionieren?

Ich wurde darum gebeten, dass ich KFZ-Kennzeichen von Autos notiere, die auf dem Parkplatz eines Nachbarn stehen. Ein SPD-Mitglied behauptete, Kontakte zum Verfassungsschutz zu pflegen, über den es die Kennzeichen überprüfen lassen wolle. Insbesondere auf Kennzeichen aus dem Osten Deutschlands sollte ich achten, um dem Gemeinderatsmitglied eine Nähe zum Rechtsradikalismus nachweisen zu können. Das ging für mich zu weit und ich machte deutlich, dass ich für so etwas nicht zur Verfügung stehe.

Schwansener Nachrichten: Die Grünen haben Dich jüngst in eine braune Ecke gesteckt, was meinst Du, warum man diesen Denunzierungsversuch gegen Dich gestartet hat?

Ziel dieses Versuches war aus meiner Sicht, dass die Grünen erwirken wollten, dass sich unser Landesvorsitzender von mir distanziert und evtl. ein Parteiausschlussverfahren gegen mich initiiert wird.

Schwansener Nachrichten: Waren es nicht gerade die Grünen, die einen vernünftigen Umgang im Gemeinderat gefordert hatten?

Das stimmt. Auch andere Parteien haben das gefordert. Jedoch wird im Riesebyer Gemeinderat mit zweierlei Maß gemessen. Während man sich in Stellungnahmen gegen einen Gemeindevertreter auflehnte und sogar dessen Rücktritt forderte, weil man ihm denunzierendes Verhalten vorwarf, hüllen sich die Parteien nun in Schweigen.

Schwansener Nachrichten: Wie hast Du Dich gefühlt, als Du von dem Brief erfahren hast?

Ich war schockiert, zutiefst betroffen und hatte ernsthafte, gesundheitliche Probleme dadurch. Es braucht eine Zeit, um so etwas zu verarbeiten.

Schwansener Nachrichten: Nachdem der Landesvorsitzende vom SSW, Flemming Meyer, die Fraktionsvorsitzende der Grünen auflaufen ließ, entschuldigte Christine Scheller sich bei Dir. Wie glaubwürdig erscheint Dir diese Entschuldigung?

Die Aktion war lange geplant und sehr überlegt gesteuert. Nachdem Flemming Meyer sich nicht auf den Denunzierungsversuch einließ, machte Frau Scheller einen Rückzieher. Offen sichtlich hat sie nicht damit gerechnet, dass der Vorsitzende mich über das Einschreiben informiert. Ihre Entschuldigung kommt mir geheuchelt vor.

Schwansener Nachrichten: Beim Thema Windkraft geht es um viel Geld für wenige Profiteure. Deine kritische Haltung zu Windkraftplanungen im Naturpark Schlei ist allen bekannt. Ist aus Deiner Sicht zu befürchten, dass einzelne Mitglieder Riesebyer Parteien reine Partikularinteressen verfolgen?

Ja, nicht nur zum Thema Windkraft ist das mehr als deutlich. Ich hätte nicht gedacht, dass das schon auf unterster politischer Ebene der Fall ist. Ich finde das sehr erschütternd.

Schwansener Nachrichten: Gibt es nach der Schließung der Risby Danske Skole noch einen Grund, den SSW-Ortsverband in Rieseby bestehen zu lassen?

 

Auf jeden Fall. Der Kreisvorsitzende des Kulturvereins SSF will in der ehemaligen Schule ein Kulturzentrum errichten. Der dänische Sportverein Risby UF ist mit verschiedenen Sparten aktiv. Es ist wichtig, in Rieseby eine Interessenvertretung der dänischen Minderheit zu haben.

 

Schwansener Nachrichten: Wir danken Thorsten Bastian für die Zeit und wünschen ihm vor allem gesundheitlich alles Gute!

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